Die „Gruppe Steinbrück“ war ein Netzwerk von bis zu einhundert Personen, die Hans Steinbrück 1944 in Köln-Ehrenfeld um sich versammelte. Es entstand aus nachbarschaftlichen, familiären und milieubedingten Kontakten und wurde nicht durch gemeinsame politische Ziele zusammengeführt oder gesteuert. Zu der sehr heterogenen, auch Kriminelle einschließenden Gruppe gehörten verschiedene Jugendliche, von denen drei früher an Zusammenkünften von Edelweißpiraten teilgenommen hatten.
Hans Steinbrück, der von der Gestapo gesucht wurde, war seit dem 31. Dezember 1943 bei Cilly Serve im Haus Schönsteinstraße 7 in Köln-Ehrenfeld untergetaucht. Als das Haus am 21. April 1944 ausgebombt wurde und Steinbrück für sich und seine Lebensgefährtin eine Behelfswohnung herrichtete, erkannten Nachbarn und Bekannte sein handwerkliches Geschick und stellten ihn als Schwarzarbeiter beim Bau ihrer eigenen Behelfswohnungen am Westfriedhof ein. Um Werkzeuge, Baumaterial und Fahrzeuge zu besorgen, unternahm Steinbrück zu dieser Zeit die ersten Einbrüche. Gleichzeitig begann er sich zu bewaffnen. Bei der Beschaffung der Waffen sicherte er sich die Hilfe junger Frauen und Männer zu, die er dafür bezahlte. Höhepunkt der zahlreichen „Kaperfahrten“ war am 1. September 1944 der Diebstahl von 26 Zentner Butter, die über ein Netz von Hehlern auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden. Steinbrück verfügte von diesem Zeitpunkt an über viel Geld.
Als eine Heeresstreife am 29. September 1944 Steinbrücks Waffenlager in der Schönsteinstraße entdeckte und am folgenden Tag sein Haus durchsuchte, war er auf der Flucht. Er lernte dabei Roland Lorent kennen, der zwei Tage zuvor den Köln-Braunsfelder Ortsgruppenleiter Heinrich Soentgen ermordet hatte. Durch die neue Bekanntschaft radikalisierte Steinbrück sich endgültig. Bei dem – vermeintlichen – Befreiungsversuch für die inzwischen verhaftete Cilly Serve, die er immer noch unter Bewachung in der Schönsteinstraße wähnte, kam es am 30. September 1944 in Köln-Ehrenfeld zu Schießereien mit mehreren Toten.
Das mit der Ermittlung dieser Ehrenfelder Ereignisse beauftragte, in Brauweiler stationierte Gestapokommando Kütter nahm bis zum 22. Oktober 1944 77 Männer und 33 Frauen fest, den nach einem Schusswechsel verletzten Steinbrück am 11. Oktober. Wegen „hochverräterischer und terroristischer Umtriebe“ wurden die Männer im Zellenbau, die Frauen im Arresthaus in Brauweiler inhaftiert und vom Gestapokommando Kütter verhört. Es ist offenkundig, dass die zentralen Personen der Gruppe hierbei misshandelt wurden, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Gestapo ihnen politische Umsturzmotive unterstellte.
Am 10. November 1944 wurden dreizehn Mitglieder der Steinbrück-Gruppe in der Hüttenstraße am Köln-Ehrenfelder Bahnhof ohne gerichtliches Urteil öffentlich erhängt, darunter fünf Jugendliche im Alter von sechzehn und siebzehn Jahren und ein Heranwachsender von achtzehn Jahren. Viele der übrigen verhafteten Mitglieder der Gruppe, die im Februar 1945 von Brauweiler nach Siegburg und im März 1945 von dort in andere Lager evakuiert wurden, entgingen nur durch den Einmarsch der Amerikaner der Hinrichtung.
In der öffentlichen Meinung wird die Gruppe Steinbrück oft in unzulässiger Weise mit dem Jugendphänomen der Edelweißpiraten verwechselt. Vor allem in der Jugendliteratur tradiert sich dieser Irrtum.
Josef Wißkirchen
Die hier aufgelisteten, in Brauweiler inhaftierten Personen stammten entweder aus dem näheren Umfeld von Hans Steinbrück oder wurden in Zusammenhang mit dieser Verhaftungswelle von der Gestapo interniert.
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