Hans S. war seit 1936 in der „Fürsorgeerziehung“, in der er auf der Grundlage des natio-nalsozialistischen Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses zwangssterilisiert wurde. Nach Aufenthalten in verschiedenen Heimen kam er im Mai 1940 als sogenannter Bezirkshilfsbedürftiger in das Provinzialjugendhaus Freimersdorf in der Arbeitsanstalt Brauweiler.
In den Abendstunden des 19. Mai 1941 unternahm er zusammen mit dem „Fürsorgezögling“ Mathias F. einen Fluchtversuch. Beide konnten den zwei Beamten der Nachtwache Schlüssel und Pistolen abnehmen. Dabei wurde ein Wachmann durch einen Messerstich verletzt. Auf der Flucht durch den Ort Brauweiler bedrohten sie ihre Verfolger mit den gestohlenen Waffen. Nach der Überwältigung der Flüchtenden stellte der stellvertretende Anstaltsleiter Paul Kirschieben Strafantrag bei der Oberstaatsanwaltschaft Köln, sodass das Sondergericht Köln am 23. Mai 1941 Haftbefehl erließ.
In der Anklageschrift und in der späteren Urteilsbegründung wurden ausführliche Wertungen der Fürsorgebehörden – auch über die Elternhäuser – übernommen, um das Urteil vor allem unter dem Gesichtspunkt nationalsozialistischen Menschenverständnisses zu rechtfertigen. Hans S. wurde in einem Schnellverfahren am 31. Mai 1941 vom Kölner Sondergericht I unter Landgerichtsdirektor Eich dreimal zum Tode verurteilt, da er bei seinem Fluchtversuch drei Verstöße gegen die Bestimmungen des §1 der „Verordnung gegen Gewaltverbrecher“ vom 5.12.1939 begangen habe. Gnadengesuche des Pflichtverteidigers sowie eines Vetters von Hans S. und eine Eingabe des Heimleiters eines früheren Erziehungsheims wurden im Reichsjustizministerium von Staatssekretär Roland Freisler abgelehnt. Am 8. Juli 1941 wurde Hans S. um 5 Uhr morgens im Gefängnis Klingelpütz durch das Fallbeil hingerichtet.
Hermann Daners